“Man sieht nur mit dem Herzen gut – das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar”.
Wer kennt es nicht, das Zitat entnommen aus “Der Kleine Prinz” von Antoine de Saint-Exupéry. Reiten, Zeit mit dem Pferd zu verbringen bedeutet ebenso mit dem Herzen zu sehen und salopp gesagt, mit dem Po zu spüren. Neben dem richtigen “Reitertakt“, um den es letzte Woche in meinem Blog ging, schadet es jedoch keinesfalls den Blick zu schulen.
Claudia Strauß, lizensierte Bent Branderup Trainerin aus der Oberschwaig in Bayern bietet genau dafür unter anderem Seminare in Punkto “Blickschulung” an. Ein guter Grund für ein weiteres Interview:
Wie schult man denn deiner Meinung nach am Besten seinen Blick?
Claudia: Aus meiner persönlichen Erfahrung heraus lernt man am besten seinen Blick zu schulen bei Bent Branderup – Seminaren und Kursen von anderen guten Ausbildern. Für den Zuschauer ist ein Seminar dann effektiv, wenn der Lehrer seine visuelle Einschätzung und seine Erkenntnisse daraus transparent macht. Man sieht bei solchen Kursen ja auch unterschiedliche Pferde und eine Veränderung in deren Statik und Bewegung.
Des Weiteren helfen mir Video- oder Bildmaterial über meine eigene Arbeit. Hier kann ich in aller Ruhe analysieren und vor allem Momente, die sich besonders gut angefühlt haben, visuell erfassen und dann verknüpfen. Letztlich gilt es, einerseits über den Blick das Gefühl zu entwickeln und andererseits durch die intensive Auseinandersetzung mit der Anatomie und Biomechanik des Pferdes seine naturgemäßen Bewegungen zu erhalten und zu fördern.
Hilft es denn, wenn man sich unterschiedliche Bilder und Fotographien ansieht?
Claudia: Ja sicher! Zu beachten wäre hierbei, dass man wirklich vergleichbare Bilder heranzieht und festgelegte Bewertungskriterienanwendet. Gut auf Bildern zu analysieren sind das Exterieur, grundlegende Elemente wie Takt und Formgebung, aber auch bedingt die Losgelassenheit.
Der Vorteil der Bodenarbeit, ist ja, dass man das ganze Pferd im Überblick behalten kann – was aber, wenn man nun oben sitzt – gibt es hier auch ein paar Tipps für die richtige, sensorische „Po-Schulung“?
Claudia: Genauso wie vom Boden muss man Umschalten können zwischen der Gesamtwahrnehmung und der Fokussierung auf Details:
Kann ich entspannt sitzen? Wo können Ursachen für Spannungen und Widerstände im Pferd liegen? Reagiert das Pferd auf meinen Hang in der Hüfte – rotiert der Brustkorb mit dem gleichseitigen nach vorne schwingenden Hinterbein nach unten? …
Ich empfehle hier spezielle Sitzschulungen und guten Reitunterricht. Unabhängig davon sollte man so viel Zeit wie möglich im Sattel (verschiedener Pferde) verbringen – im Idealfall erlebt man bei einem mehrtägigen Wanderritt Reflexion und schonende Effizienz.
Wie kann man sich denn dein Seminar über die Blickschulung vorstellen?
Claudia: Mir ist wichtig nicht mit Negativ-Beispielen zu arbeiten. Ich versuche zu vermitteln, wie ich als Ausbilder das Pferd beurteile, wie ich selbst Informationen erfasse. Anhand von Fotografien, Filmen und auch bei der Arbeit mit meinen eigenen Pferden erkläre ich die grundsätzlichen Elemente wie Balance, Losgelassenheit, Durchlässigkeit, Tempo, Takt, Schwung im Sinne der Akademischen Reitkunst. Gemeinsam erarbeiten wir Checklisten und üben uns in der Vorgehensweise des Erfassens. Auch versuche ich die Teilnehmer für den weichen Blick zu sensibilisieren, andere Sinneserfahrungen wie dasGehör zu Schulen und ähnliches. Vieles ergibt sich auch durch die Dynamik der Gruppe. Im anschließenden Unterricht versuche ich meine visuellen Eindrücke besonders hervorzuheben.
Mitten in der Arbeit, kann schon einiges schief gehen – ein Verwerfen im Genick, die Hinterhand – „schreamst“ auf gut steirisch mal zur Seite (sprich sie fällt aus) – wenn man zehn Fehler gleichzeitig sieht, kann das auch schon mal überfordern. Was empfiehlst du – wie geht man da am besten an die Sache ran?
Claudia: Grundsätzlich überprüfe ich meine Arbeit hinsichtlich der Losgelassenheit des Pferdes. Ich empfehle, jederzeit den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ zu kennen und sich nicht zu scheuen dorthin zurück zu kehren. Von hier aus kann man erneut an den einzelnen Bausteinen arbeiten. Auch schadet es nichts sich an die bewährte Reihenfolge zu halten: 1. nicht stören 2. wahrnehmen 3. verändern….. oder einfach mal ein Auge zudrücken ; )
Die „Momentaufnahme“ wird ja mal gerne entweder als Entschuldigung gesehen, oder aber auch als besonders lobendes Beispiel – wie siehst du das?
Claudia: Fotos sagen nur die halbe Wahrheit. Bilder sind immer nur Teil- und Momentaufnahmen. Es gibt Momente innerhalb der Bewegungsphasen, die vorteilhaft wirken (z.B. Einbeinstütze hinten im Galopp), ebenso wie solche die immer ungünstig aussehen (z.B. Einbeinstütze vorne im Galopp). Ein guter Fotograf kennt die Kriterien eines guten Bildes. Ein reflektierter Reiter sollte sie ebenso kennen …Erfahrungsgemäß entstehen bei jedem Shooting (von Profis oder Laien) Bilder beiderlei Art. Zur Selbstanalyse sind alle Bilder interessant, in die Öffentlichkeit sollten nur ausgewählte Motive gelangen … was nicht heißt, dass auf einem stimmungsvollen Bild alles perfekt sein muss.
Zielt die Blickschulung nur aufs Pferd ab, oder auch auf den Reiter? Gibt es hier Tipps, wenn der Reiter einen Fehler erkennt, wie er sich hier das „richtige“ Bild von der Theorie in die Praxis holen kann?
Claudia: Das Seminar zur Blickschulung zielt hauptsächlich auf die Analyse des Pferdes ab. Aber bekanntlich sitzt der Fehler meist im Sattel ; ) … oder anders ausgedrückt: als Ausbilder muss ich immer neu einschätzen ob ich im Moment das Pferd fördern will oder den Menschen mehr begleiten muss. Dem Reiter biete ich gerne innere Bilder an um Veränderungen – vor allem bezüglich des Reitersitzes oder der primären Hilfengebung am Boden – nachhaltig zu erreichen. Deshalb sollten sich theoretischer und praktischer Unterricht gegenseitig ergänzen.
Schulen wir also unseren Blick und üben uns in Theorie und Praxis, dann Reiten wir Einfach
Vielen Dank an Claudia Strauß für das spannende Interview. Auf ClaudiasFacebook Seite, so wie Ihrer Homepage können Interessierte mehr über die lizensierte Bent Branderup Trainerin erfahren.
Fotocredit: Beitragsbild: A.Rückert, Bild im Artikel: Claudia Strauß